Trotzdem es noch kalt ist und eventuell in einigen Regionen auch noch Schnee liegen mag, einige Pflanzen blühen gerade jetzt auf! Es sind unsere Frühblüher, die mutig ihre Blüten aus der Erde schieben. Um das tun zu können, haben sie erstaunliche Strategien entwickelt. Und nutzen außerdem einen evolutionären Vorteil!
Ja, wer blüht denn da?
Wer in dieser trüben und nasskalten Zeit draußen in der Natur unterwegs ist, hat es mit Sicherheit bereits bemerkt: Überall ist das erste, neue Leben zu erkennen, das bereits seine Blätter und Blüten aus der Erde oder sogar durch den Schnee nach draußen schiebt.
Neben Christrosen, die bereits im Dezember angefangen haben zu blühen, sind Schneeglöckchen die ersten Blütenpflanzen, die ihre feinen, weißen Blüten schon im Januar dem Himmel entgegen strecken. Dicht gefolgt von Winterlingen, Märzenbechern und Krokussen. Im eigenen Garten oder in Botanischen Gärten leuchtet es außerdem sonnengelb von kleinen Bäumchen herüber: Die Zaubernuss hat jetzt ihre Hauptblütezeit und ihre gelben, fadenförmigen Blüten verwandeln jeden noch so trüben Tag in einen sonnigen. Und auch an Wegrändern oder in Steinbrüchen erscheinen mittlerweile die ersten kleinen Sonnen in Form von Huflattichblüten.
Einer unserer Frühblüher: Der Huflattich verschönert im Februar Steinbrüche und Wegränder.
Die Blüten der Zaubernuss sehen mit Rauhreif erst so richtig hübsch aus.
Die Tricks der Frühblüher
Doch was treibt diese Pflanzen an, gerade jetzt – in dieser eher unwirtlichen Zeit – zu blühen? Warum treiben sie ausgerechnet jetzt – bei Schnee, Eis und Kälte – aus?
Es ist eher andersherum: Gerade weil Schnee liegt und es draußen bitterkalt ist, fangen diese Pflanzen an zu blühen! Denn unsere Frühblüher haben mehrere Tricks: Zum einen bilden sie während der Wachstumszeit (also in der Zeit, in der sie blühen) Stärke. Das ist ihre Energiequelle, die die Pflanzen in ihren Zwiebeln oder Knollen anreichern und während des restlichen Jahres, in dem sie unsichtbar im Boden überdauern, nicht gebrauchen. Doch im Vor-Frühling kommt ihnen dieses zugute und sie können die prall gefüllte Energiekammer dazu benutzen, um so früh wie möglich, vor all den anderen Pflanzen und auch vor den Bäumen, auszutreiben.
Von eigens hergestellten Frostschutzmitteln und einer isolierenden Schneeschicht
Und das ist noch längst nicht alles, was die kleinen Wunderwerke draufhaben! Einige von ihnen, wie das Schneeglöckchen, bilden sogar ein eigenes Frostschutzmittel aus! Und das ist auch nötig. Denn Pflanzen – bis hin zu ihren kleinsten Bestandteilen, den Zellen – enthalten Wasser, was sich ja bekanntlich ausdehnt, sobald es gefriert. Sobald die Außentemperatur also auf eine bestimmte Gradzahl absinkt, würden die Pflanzenzellen platzen und die Pflanze schließlich absterben.
Damit das nicht geschieht, wurden verschiedene Strategien entwickelt, um diese natürlichen Frostschutzmittel herzustellen: Schneeglöckchen lagern beispielsweise Salze in ihre Zellen ein, was zu einer sogenannten Gefrierpunkterniedrigung führt. Das bedeutet, dass dieses stark salzhaltige Wasser bei Minusgraden nicht gefriert und sich somit auch nicht ausdehnt. Und die Zellen – und natürlich auch die Pflanzen selber – intakt bleiben! Und das ist nicht nur mit Salzen möglich: Narzissen beispielsweise nutzen dafür Schleimstoffe! So vor kalten Witterungen geschützt, können unsere Frühblüher also unbeschadet ihre Blätter und Blüten durch die Schneedecke nach oben schieben und uns den ersten Hauch von Frühling versprechen.
Und auch wenn es sich unglaublich anhört, die Schneedecke bietet unseren Frühblühern ebenfalls einen Vorteil: Zusätzlich zu dem natürlichen Frostschutzmittel, den die Pflanzen selber entwickeln, schützt sie auch die Schneedecke. Denn diese isoliert und verhindert so ein Gefrieren des Bodenwassers bei Minusgraden.
Winterjasmin: Farbtupfer im Schnee
Auch der Winterling fängt zu blühen an, solange es noch kalt ist.
Krokusse sind weitere Frühblüher, die in den heimischen Gärten den Frühling einziehen lassen.
Frühblüher bekommen das ganze Sonnenlicht ab
Frühblüher nutzen außerdem einen evolutionären Vorteil, den diese Jahreszeit bietet: Sie können – gerade weil es noch so früh im Jahr ist und noch keine anderen Pflanzen ausgetrieben haben – die volle Intensität des einfallenden Sonnenlichts, welches bis zu ihnen auf den Boden fällt, komplett ausnutzen.
Denn dass das nur wenige Wochen später nicht mehr möglich ist, beweist dann ein Blick in den Himmel: Kann man zurzeit noch frei auf das helle blau und die weißen Wolken schauen, ist das später, wenn Bäume, Büsche und größere, krautige Pflanzen ausgetrieben haben, nur noch bedingt möglich. Diese größeren Pflanzen greifen dann nämlich das Licht ab. Messungen haben beispielsweise ergeben, dass in den Wintermonaten die Lichteinfallsrate in unseren hiesigen Wäldern bei 50% liegt, im Sommer aber nur noch 10% beträgt!
Deswegen leben unsere Frühblüher nach der Devise „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ bzw. „Die frühe Pflanze bekommt das ganze Sonnenlicht!“ Und dieses nutzen sie dazu, erneut Stärke zu bilden und in ihren unterirdischen Speicherorgangen aufzubewahren. Für den nächsten Frühling, um genauso früh wieder durch den Schnee zu brechen und uns mit ihrem Anmut und ihrer Farbenpracht zu verzaubern und uns die Aussicht auf wärmere Tage zu verkünden.