Die Brennnessel ist eine unserer unbeliebtesten Pflanzen. Nichtsdestotrotz folgt sie uns quasi auf dem Fuße und hält erstaunliche Wirkungen für uns bereit!

Die Brennnessel ist eine wehrhafte Pflanze

Die Brennnessel ist ein Kraut, das jeder kennt – auch diejenigen, die es nicht so mit Pflanzen haben. Selbst der Teufel, dem man sämtliche Pflanzenkenntnisse abspricht, erkennt einen Brennnesselbusch auf den ersten Blick. Zumindest laut Dodonäus, der eigentlich Rembert Dodoens hieß und ein flämischer Arzt und Botaniker war. In dessen Kräuterbuch aus dem 16. Jahrhundert steht geschrieben: „‚Dieses Kraut kenn ich‘, sagte der Teufel und setzte sich in einen großen Brennnesselbusch.“

Was der Teufel jedoch kann, sollten wir tunlichst unterlassen. Denn das Kraut ist sehr wehrhaft. Es „brennt“ – was Du wahrscheinlich bereits mindestens einmal erfahren hast. Ich übrigens auch…

Das liegt an den unzähligen kleinen Härchen, die die gesamte Brennnesselpflanze überziehen. Jedoch handelt es sich dabei mitnichten um Haare. Schaut man durch ein Mikroskop, erkennt man, dass es sich um kleine Röhren handelt, die nach oben hin spitz zulaufen und am oberen Ende in eine kleine Kugel münden. Diese bricht bei Berührung leicht ab und dann bohrt sich die so freigelegte Spitze der Röhre in Haut oder Fell, worauf der enthaltene Saft, bei dem es sich um eine Art von Ameisensäure handelt, austritt. Und uns das schmerzhafte Jucken, welches meist von Quaddeln begleitet wird, beschert.

Abstand haltend und trotzdem Nähe suchend

Doch obwohl sich die Brennnessel als so wehrhaft darstellt und sich scheinbar jeden – ob Tier, Mensch oder eine andere Pflanze – auf Abstand halten möchte, folgt sie uns überallhin. Denn als Kosmopolit, was bedeutet, dass diese Pflanze auf der ganzen Welt verbreitet ist, wächst sie quasi überall. Am liebsten jedoch in der Nähe von uns Menschen!

Und das kommt nicht von ungefähr: Überall, wo wir den Boden bearbeitet und vielleicht anschließend wieder aufgegeben haben, können die Samen – durch den Wind an diese Stelle geweht – Wurzeln schlagen. Oder die vielen Ausläufer der Brennnesselwurzeln stoßen durch die gelockerten Erdschichten und bilden so eine neue Pflanze aus. Häufig findet sich das Kraut auch an Stellen ein, die von anderen Pflanzen aufgrund zu hoher Harnstoffmengen im Boden gemieden werden. Doch die Brennnessel hat damit kein Problem. Ganz im Gegenteil: Das Zuviel an Harnstoff verhilft der Pflanze zu einem schnelleren Wuchs. Kein Wunder also, dass sie vor allen dort zu finden ist, wo Urin, Jauche oder Gülle den Boden getränkt haben.

Ein Plätzchen im Garten für die Brennnessel

Anstelle jetzt angeekelt das Gesicht zu verziehen, sollten wir der Brennnessel dafür dankbar sein, dass sie dort wächst, wo sie wächst. Denn ihre weitverzweigten Wurzeln – durch die sie auch neue Ausläufer und damit neue Pflanzen ausbilden können – lockern die Erde auf und bereiten damit den Boden für andere Pflanzen vor, die sich anschließend leichter an diesen Stellen niederlassen können. Vor allem auf stark verdichteten Flächen, wie Schuttplätzen, Steinbrüchen und Kahlschlägen, ist das auch nötig! Außerdem sammelt die Brennnessel eine Vielzahl an Mineralien in sich, die nach dem Absterben einer dieser Pflanzen wiederum dem Boden zur Verfügung stehen und diesen damit aufwerten und düngen.

Diese Eigenschaften der Brennnessel können wir uns auch im Garten zunutze machen! Gezielt neben Kräutern und/oder Gemüse gepflanzt, sorgt diese tolle Pflanze nicht nur für eine Auflockerung des Bodens und damit für eine bessere Durchwurzelung der neben ihr wachsenden Kräuter, sie gibt auch die in ihr enthaltenen Mineralien in den Boden ab, die dann von den anderen Pflanzen aufgenommen werden können. Dadurch können aromatische Kräuter, zu denen zum Beispiel Pfefferminze, Melisse, Thymian, Rosmarin und viele andere Lippenblütler gehören, ihre Inhaltsstoffe und damit auch die in ihnen enthaltenen ätherischen Öle, vervielfältigen, wodurch ihr Duft als auch ihr Aroma insgesamt ansteigt.

Genau das ist auch der Grund, warum Biogärtner die Brennnessel so lieben. Da wird extra für diese Pflanze eine Ecke des Gartens reserviert. Und dann heißt es ernten, ernten, ernten…

Ein Tausendsassa mit heilkräftiger Wirkung

Wer die Wörter Brennnessel und Biogarten hört, denkt wahrscheinlich als allererstes an die vielgerühmte Brennnessel-Jauche. Und auch wenn diese nicht gerade lecker riecht, ist sie durch die vielen Mineralstoffe, die in der Pflanze und damit auch in der Jauche enthalten sind, das beste Mittel zur biologisch-ökologischen Bodendüngung.

Doch neben ihrer Wirkung auf den Boden und auf andere Pflanzen, hat die Brennnessel auch große Wirkungen auf uns. Und nein, ich meine jetzt nicht (nur) das schmerzhafte Brennen, das sie hinterlässt, wenn wir die Pflanze mit bloßer Haut berühren.

Die Brennnessel ist tatsächlich eine unserer besten und stärksten Heilpflanzen und wurde bereits von den größten Gelehrten des Altertums, wie zum Beispiel Ovid und Hieronymus Bock, besungen und geehrt. Sie ist also quasi die pflanzliche Verkörperung der Natur als Kraftquelle. Sie enthält in ihren Blättern reichlich Eisen, verschiedene Vitamine und viele Mineralstoffe und kann deswegen unseren Speiseplan bereichern. Ein leckeres Brennnesselsüppchen im Frühling lässt der Frühjahrsmüdigkeit keine Chance. Und auch gekocht als „Spinat“ oder zu Pesto verarbeitet, kann die Pflanze viele Gerichte sowohl optisch als auch nährstoffmäßig aufwerten – und vielleicht sogar den Inhalt unserer Geldbörsen! Denn es wird gesagt, dass der- oder diejenige, der/die am Gründonnerstag Gemüse aus jungen Brennnesselpflanzen isst, das ganze Jahr über keine Geldsorgen mehr haben wird…

Außerdem lassen sich die Blätter gut trocknen und als Tee verwenden. Jedoch nicht einfach nur zum Genuss, sondern als Heiltee! Vor allem bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege wird Brennnesseltee empfohlen. Hier kommen wir erneut zu den vielen Mineralstoffe, die in der Pflanze enthalten sind – unter anderem nämlich Kalium, welches eine osmotische Wirkung hat und somit harntreibend wirkt. Das hat zur Folge, dass die ableitenden Harnwege gut durchgespült und somit die Entzündungsherde aus dem Körper geleitet werden. Auch bei Rheuma wird deswegen Brennnessel als Tee, Tinktur oder auch als Frischpflanzensaft zur Einnahme empfohlen.

Diese Wirkungen sind übrigens nicht nur in der Volksmedizin populär. Auch die Kommission E, eine wissenschaftliche Sachverständigenkommission die die Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel untersucht, vergab eine positive Monografie für diese therapeutischen Anwendungen! Was bedeutet, dass die Wirkungen der Brennnessel wissenschaftlichen Untersuchungen stand gehalten haben und somit bestätigt sind!

Peitschen für die Liebe – und gegen Rheuma

Apropos Rheuma: In früheren Zeiten wurde die Reizung, die durch den Kontakt der bloßen Haut mit der Brennnessel entstand, zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen eingesetzt: Beispielsweise, in dem man die betreffenden Körperteile mit der Brennnessel abrieb oder sie abpeitschte. Letzteres wurde als Urtikation bezeichnet.

Und gepeitscht wurde auch für die Liebe. Denn unsere Vorfahren hatten natürlich noch kein Viagra oder stimulierendes Spielzeug. Stattdessen wurde auf die Brennnessel zurückgegriffen und die äußeren Geschlechtsteile damit gepeitscht, mit dem Erfolg, dass diese besser durchblutet wurden. Derselbe Effekt, der auch bei der Urtikation gegen Rheuma eintrat. Wobei beides keine Methode für Weicheier ist…

Von knackigen Nüssen und unscheinbaren Blüten

Neben den jungen, zarten Blättern für das Frühlingsgemüse oder den Tee und dem ganzen Kraut gegen rheumatische Beschwerden können auch die Brennnesselnüsschen geerntet werden.

Moment mal – Nüsse an Brennnesseln? Nun, nicht ganz. Damit sind die Samen der weiblichen Brennnesselpflanze gemeint, die aussehen wie zu klein geratene Bucheckern und einen leicht nussigen Geschmack haben. Diese können im Herbst geerntet werden und entweder frisch oder getrocknet über das Müsli, das Porridge, den Salat oder in den Kräuterquark oder ein anderes Gericht gegeben werden. Auch diese Samen enthalten ungemein viele Mineralstoffe und wirken dadurch anregend und stärkend. Der griechische Dichter Ovid empfahl die Samen sogar als „das beste Aphrodisiakum der Welt“! Quasi Viagra in pflanzlicher Form…

Doch vor den Samen stehen bekanntlich die Blüten. Und vielleicht stutzt Du jetzt und fragst Dich, ob Du schon einmal eine Brennnesselblüte gesehen hast.

Ich kann es Dir beantworten: Ja, Du hast. Nur hast Du wahrscheinlich gar nicht gewusst, dass das eine Blüte ist. Denn so prächtig wie sich die Brennnessel in ihren Wirkungen darstellt, so unscheinbar sind ihre Blüten: Die weibliche Blüte ist sehr klein und am oberen Ende leicht violett gefärbt, die männliche Blüte ist nur unwesentlich größer, jedoch sternförmig aufgefächert mit vier Strahlen. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen, wird die Brennnessel von vielen Schmetterlingen äußerst geliebt. Vor allem Tag-Pfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral umschwirren diese Pflanze und legen ihre Eier an den Blättern ab. Denn auch für den Nachwuchs dieser drei Schmetterlingsarten ist die Brennnessel unverzichtbar: Nur hier finden die Raupen Unterschlupf und Nahrung. Somit stellt die Brennnessel sicher, dass es auch im nächsten Jahr wieder viele bunte Schmetterlinge gibt.

Stellen wir also sicher, dass wir ihr sowohl einen Platz in unseren Gärten und auch in unseren Herzen zur Verfügung stellen!

Die weiblichen Blüten der Brennnessel sind sehr klein und am oberen Ende leicht violett gefärbt
Die männlichen Blüten der Brennnessel sind sternförmig aufgefächert mit vier Strahlen

Fast niemand würde auf die Idee kommen, dass es sich bei diesen relativ unscheinbaren Gebilden um die Blüten der Brennnessel (links: weibliche Blüten, rechts männliche Blüten) handelt!